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  • 10. November 2015

    Talent-Management in PR-Agenturen – nur ein Buzzword?

    Ein Interview mit Franziska Brachvogel

    PR Career Center: Franziska, Du hast eine Master-Thesis mit dem Titel „Talent-Management in PR-Agenturen – Konzeptionelle Grundlagen und empirische Ausprägung in Deutschland“ geschrieben und dafür Experteninterviews mit Personalverantwortlichen und Geschäftsführern von 12 großen PR-Agenturen geführt. Eine Frage vorab: Was genau ist eigentlich Talent-Management?

     

    Franziska Brachvogel: Mit dieser Frage habe ich mich natürlich sehr intensiv beschäftigt. Kurzum: Es liegen diverse Verständnisse vor, sodass ich das nicht „genau“ sagen kann. Einig sind sich die Wissenschaftler und Praktiker allerdings in dem Punkt, dass damit ein Ansatz im Personalmanagement gemeint ist, um wertvolle Humanressourcen – genauer Talente – als Organisation für sich zu erschließen. Das Verständnis von Talent-Management ist damit unmittelbar mit dem Talentverständnis einer Organisation verknüpft. So können entweder alle Mitarbeiter Talente sein oder nur einige wenige, die sich von anderen abheben. Wichtig ist aber: Der Talentbegriff ist unabhängig vom Alter und beruflichen Level der Mitarbeiter! Ein Talent ist also nicht (nur) der Berufseinsteiger mit Potenzial für eine steile Karriere.
    Nach einer Sichtung der gängigen Literatur zum Thema Talent-Management und Verdichtung vorhandener Definitionsansätze habe ich meiner Masterarbeit eine Arbeitsdefinition von Talent-Management zugrunde gelegt. Diese lautet:

    Talent-Management wird verstanden als ein ganzheitliches Konzept des Personalmanagements zur Erschließung von Humanressourcen, welches sowohl Prozesse umfasst, die nach außen gerichtet sind, um Talente zu gewinnen, als auch Prozesse, die nach innen gerichtet sind, um bereits in der Organisation tätige Talente so zu managen, dass langfristig Wettbewerbsvorteile generiert werden.

    Die konkrete Ausgestaltung von Talent-Management ist abhängig von der jeweiligen Organisation und deren Talentverständnis.

     

    PR Career Center: Eine der Haupterkenntnisse Deiner Master-Thesis: Talent-Management wird in den befragten Agenturen als wichtig, sogar essentiell für den Geschäftserfolg eingestuft, aber kaum einer hat für sich definiert, was es eigentlich ausmacht und beinhaltet. Kann man das so sagen?

     

    Franziska Brachvogel: Man kann erst einmal sagen, dass unter den befragten PR-Agenturen kein einheitliches Verständnis vorliegt, was Talent-Management eigentlich ist. Jedoch hatten alle für sich genommen ein grobes Bild davon, was es ausmacht und beinhalten sollte. Diese Verständnisse entsprachen wiederum nur in Ansätzen oder zumindest unvollständig dem Verständnis, wie ich es einleitend definiert habe.
    Der Fokus lag zumeist vor allem auf nach innen gerichteten Prozessen der Identifizierung von Talenten und der entsprechenden Förderung und Entwicklung dieser. Von einer ganzheitlichen Betrachtungsweise konnte selten die Rede sein. Der Großteil der befragten PR-Agenturen hat zwar angegeben, über eine systematische Vorgehensweise zu verfügen, jedoch bezog sich diese Systematik vielmehr auf Einzelmaßnahmen wie Mitarbeitergespräche, Auslandseinsätze oder Weiterbildungen als auf ein ganzheitliches Konzept, wie es das Talent-Management darstellt. Dieser Umstand lässt durchaus die Vermutung zu, dass es sich dabei letztlich um althergebrachte Methoden des Personalmanagements handelt, die aufgrund der Präsenz des Themas Talent-Management als solches bezeichnet werden.

     

    PR Career Center: Hast Du zumindest eine Agentur identifizieren können, von der Du sagen würdest, dass deren Talent-Management vorbildlich ist, einer Definition des Begriffs folgt und eine Strategie beinhaltet, die auf eine allgemeine Unternehmensstrategie abgestimmt ist?

     

    Franziska Brachvogel: Erst einmal finde ich es durchaus positiv, dass alle befragten Agenturen das Thema generell als wichtig empfinden und somit den Wert ihrer Mitarbeiter erkannt haben. Dabei fand ich es sehr interessant, dass Talent-Management oder die entsprechenden Personalthemen durchweg auf höchster Managementebene angesiedelt sind. Die mangelnde Wertschätzung ihrer Mitarbeiter ist schließlich häufig ein Vorurteil, mit dem Agenturen zu kämpfen haben. Das Stichwort Ausbeute fällt nicht gerade selten in Bezug auf das Geschäftsmodell von Agenturen und den Umgang mit Mitarbeitern. Dass hier einige Agenturen weiter sind als andere, ist selbsterklärend. Hier spielen Faktoren wie die Größe oder Anzahl der Mitarbeiter eine Rolle.
    Zurück zur Frage: Meiner Einschätzung nach sind viele Agenturen auf einem guten Weg. Ob eine Agentur vorbildliches Talent-Management betreibt, kann ich nicht beurteilen, da die Beantwortung dieser Fragestellung auch nicht das Ziel der Untersuchung war. Hier bieten sich sicherlich spannende Ansätze für weiterführende Untersuchungen.

     

    PR Career Center: Lassen sich die Ergebnisse Deiner Umfragen in den allgemeinen Kontext der Nachwuchsdebatte der vergangenen Monate einordnen? Hast Du z.B. den Eindruck, dass die Agenturen sich überschätzen, was ihre Angebote im Rahmen eines Talent-Managements betrifft?

     

    Franziska Brachvogel: Dadurch, dass ich für mich den Talentbegriff weiter definiert habe – also eben nicht nur der PR-Nachwuchs auf der Suche nach einem guten Berufseinstieg – lassen sich die Ergebnisse nur bedingt einordnen. Hinzu kommt, dass die Nachwuchsdebatte ja in erster Linie Praktika adressierte. Ich glaube aber nicht, dass die Agenturen sich überschätzen. Im Gegenteil: Ihnen ist durchaus bewusst, dass sie etwas tun müssen, um Mitarbeiter zu halten und auch zunehmend, um sie überhaupt zu gewinnen. Hier spielt das schlechte Image, welches ja im Zuge der Nachwuchsdebatte auch immer wieder thematisiert wurde, durchaus eine Rolle. Durch die Bank erzählten mir außerdem alle Interviewpartner, dass gerade der Wechsel auf Unternehmensseite eine stetige Herausforderung darstellt. Sie wissen also, dass sie sich zunehmend intensiver um ihre humanen Ressourcen kümmern müssen und die vorhandenen Angebote häufig nicht ausreichen. Dafür spricht auch, dass viele Agenturen aktuell dabei sind, Talent-Management-Konzepte aufzusetzen oder bereits zu implementieren.

     

    PR Career Center: Würdest Du Job-Einsteigern empfehlen, sich explizit mit dem Talent-Management potenzieller Arbeitgeber zu beschäftigen bzw. da im Vorstellungsgespräch genauer nachzufragen – und wenn ja, warum ist das wichtig?

     

    Franziska Brachvogel: Ich würde es nicht nur Job-Einsteigern empfehlen! Schließlich geht es beim Talent-Management darum, dass alle talentierten Mitarbeiter wertgeschätzt werden und ihnen die Aufmerksamkeit zukommt, die sie verdient haben. Das sollte im Interesse jedes Arbeitnehmers stehen. Dennoch spielt es natürlich gerade für Job-Einsteiger eine herausragende Rolle, damit Talente überhaupt erst einmal identifiziert und von vornherein gezielt entwickelt und gefördert werden können.

     

    PR Career Center: Franziska, wir danken Dir für dieses Gespräch.

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    Anmerkung: In einem Gastbeitrag im Edelman-Blog beschreibt Franziska Brachvogel die Herangehensweise ihrer Master-Thesis, erläutert den Talent-Begriff und das Konzept des Talent-Managements im Gegensatz zu Mitarbeiterförderung oder -entwicklung.

    Vita

    Franziska Brachvogel hat den Masterstudiengang Communication Management an der Universität Leipzig absolviert, nachdem sie bereits in Leipzig den Bachelor Kommunikations- und Medienwissenschaft studiert hatte. Bereits neben dem Bachelorstudium arbeitete sie als Freie Mitarbeiterin und Projektassistenz in einer Leipziger Kommunikationsagentur. Weitere praktische Erfahrungen sammelte sie unter anderem als Praktikantin bei fischerAppelt in Hamburg und als Werkstudentin bei spreadshirt in Leipzig. Darüber hinaus leitete sie als Vorstandsmitglied ein Jahr lang die Kommunikation des LPRS – Leipziger Public Relations Studenten e.V. Seit Mai dieses Jahres ist sie für die strategische Kommunikationsberatung IFOK GmbH im Bereich Energie und Klimaschutz tätig.

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