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  • 14. Juli 2016 A&B One

    Pressearbeit 4.0: Warum die Pressemitteilung nicht tot ist und es Roboterjournalismus (vorerst) nicht geben wird

    Der Social Media Manager setzt den Tweet mit der neuen Produktankündigung auf Twitter ab. Währenddessen berichtet ein anderer Pressearbeiter, der von Haus aus Journalist ist, per Echtzeit-App Periscope über den Tag der offenen Tür im Unternehmen. Ein weiterer sucht im Netz nach Bloggern, die als Influencer die unternehmenseigenen Produkte direkt an die Konsumenten herantragen. So oder so ähnlich stellt sich Prof. Dr. Sievert, Head of Competence Center „PR & Kommunikationsmanagement“ an der Hochschule Macromedia Köln, die Arbeit in Pressebüros und Redaktionen der Zukunft vor. Die klassische Medienarbeit hat ausgedient, sie wird stattdessen mobiler, mehrkanaliger und omnipräsenter. „Immer mehr Unternehmen richten eigene Redaktionen ein, werben Journalisten für die Eigen-PR ab und publizieren ihre Inhalte selbst. Die Entwicklung geht in Richtung Owned Media. Die klassische Pressemitteilung ist tot“, so Sieverts Behauptung.
    Mit dieser These eröffnete er das 4. Media Meeting des Deutschen Journalisten Verbandes NRW (DJV), das ganz im Zeichen des Themas „Pressearbeit 4.0 – Methoden und Instrumente erfolgreicher Medienarbeit“ stand. Dafür wurde die Landesanstalt für Medien NRW (LfM) zum Treffpunkt für hochkarätige Referenten aus Wissenschaft und Praxis der Medien- und Kommunikationsbranche. Auf Einladung des Fachausschusses Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im DJV-NRW reisten neben Prof. Dr. Holger Sievert, Oliver Schrott, Inhaber der Agentur osk, Jörg Zajonc, Redaktionsleiter RTL West, Ulrich Effing, Leiter der Unternehmenskommunikation der Deichmann Gruppe, und weitere Dozenten, Pressesprecher oder auch Journalisten nach Düsseldorf.

    Die Pressemitteilung ist tot, aber nur in ihrer klassischen Form

    Für besonderen Gesprächsstoff sorgte Sieverts Eingangsstatement, die Pressemitteilung sei nicht mehr zeitgemäß und für die zukünftige Medienarbeit irrelevant.
    Die Teilnehmer, überwiegend erfahrene Journalisten, waren sich einig: Die klassische Pressemitteilung reiche in ihrer ursprünglichen Funktion als one-fits-all-Lösung nicht mehr aus. Damit sei sie aber noch lange nicht tot, sondern vielmehr Bestandteil eines größeren Multimediapakets. „In der heutigen Zeit geht es darum, Pressematerialien so aufzubereiten, dass sie auditiv, visuell und interaktiv sind sowie mundgerecht und zielgruppenspezifisch serviert werden können“, sagte Oliver Schrott. Dafür schuf er den Begriff der „advanced PR“, d.h. Inhalte müssen in Form von Bildern und Videos abbildbar und auf sozialen Plattformen einfach zu teilen sein.
    Wichtiger werde es außerdem, dass Pressearbeiter und Journalisten im Spannungsfeld zwischen Schnelligkeit, Komplexität und geringeren finanziellen Mitteln ein partnerschaftliches Verhältnis anstreben und sich gegenseitig helfen, ihren Job zu machen.
    Dem stimmte Jörg Zajonc zu, der als Redaktionsleiter von RTL West nicht nur eigene Pressemitteilungen herausgibt, sondern hauptsächlich Empfänger solcher ist. Der ausgebildete Journalist wusste aber auch um die Gefahren, die die Digitalisierung mit sich bringt: „Viele Presseinformationen sind lieblos und nicht empfängergerecht gestaltet. Vor lauter Schnelligkeit rückt die journalistische Qualität oftmals in den Hintergrund. Das darf nicht sein. Die Aufgabe von Journalisten ist es auch im digitalen Zeitalter, die Glaubwürdigkeit der Medien zu wahren, Informationen mit Substanz herauszufiltern und zu verbreiten.“ Aus diesem Grund können Journalisten mit ihren Qualitäten und Kompetenzen auch nicht von Robotern ersetzt werden, die mittels Algorithmen Berichte aus vorhandenen Textbausteinen im Internet zusammenbauen.

    Medien und Journalismus bleiben wichtig

    Der Journalismus spielt also eine zentrale Rolle im digitalen Wandel. Die Medienmarke sei weiterhin wichtig und diene als Orientierungspunkt in einer Zeit, in der immer mehr Menschen die Möglichkeit nutzen, im Internet selbst zum Sender zu werden, lautete der Tenor. „Hier geht es nicht um ‚entweder oder‘, sondern um ‚sowohl als auch‘“, sagte Schrott.

    Dieser Meinung schloss sich Ulrich Effing an, räumte aber auch ein, dass Unternehmen zunehmend zu ihrer „eigenen Agentur“ werden. Damit knüpfte er an den von Sievert angesprochenen Trend vom Earned Media zum Owned Media an. „Neben den eher klassischen Pressematerialien werden für uns die Online- und Social Media Relations wichtiger.“ Bei der Deichmann Gruppe gestalten sich diese Beziehungen derart, dass Kontakte zu Bloggern gepflegt werden, die zum Beispiel Produktinformationen an ihre Follower verteilen. Wichtig sei es aber, den richtigen Medienmix zu finden, sodass sowohl die Generation der Digital Natives erreicht werde als auch das ältere Publikum, das mehrheitlich noch an klassische Medienformate gewohnt ist.

    Kultur des „Ausprobierens und Scheiterns“ zulassen

    Obwohl der Begriff der digitalen Transformation derzeit weit verbreitet ist, sind viele Redaktionen und Presseabteilungen für die Presse- und Medienarbeit 4.0, das Pendant zur Industrie 4.0, die selbst gerade erst Einzug in viele deutsche Unternehmen hält, noch nicht bereit. „Es gilt, die aktuellen Entwicklungen aktiv mitgestalten, Spaß an der Veränderung haben und die neuen Herausforderungen als Chance begreifen“, so Zajonc. Es sei wichtig, die neue Vielfalt an Methoden und Instrumenten zuzulassen und eine Kultur des Ausprobierens und Scheiterns zu etablieren. „Experimente werden uns dabei helfen, den für uns richtigen Medienmix zu finden“, sagte abschließend der Kommunikationsexperte der Deichmann Gruppe Effing.

    Vielversprechende Aussichten: Mobile-Kommunikation und grenzenlose Unternehmen

    Potential sahen die Referenten in der sogenannten Mobile-Kommunikation, also der zielgruppengerechten Ansprache und Information über Apps. „Content Marketing, Storytelling oder auch die 360 Grad-Kommunikation sind einerseits Buzzwords unserer Zeit. Andererseits sind diese digitalen Methoden sehr wichtig, wenn wir unsere Zielgruppen zukünftig multimedial und wirkungsvoll erreichen wollen“, sagte der Leiter der Unternehmenskommunikation der Deichmann Gruppe.
    Social Media verändere aber nicht nur die externe Kommunikation, sondern sei auch von großer Bedeutung für interne Kommunikationsprozessen. So würden vermehrt Social Intranets etabliert, die für Produktivitätssteigerung, Innovationsbeschleunigung und für Zeitersparnis sorgen sollen. „Wir entwickeln uns kommunikativ immer weiter in die Richtung, dass Unternehmen zu grenzenlosen Systemen werden, in denen es keine Wissenssilos und keine One-Voice-Policy mehr gibt“, so Sievert. Zukünftige Unternehmensformen agierten also vor allem global, kommunizieren transparent, denken vernetzt und lassen Dialog und Wissensaustausch auf Augenhöhe zu. Dem stimmten auch die anderen Teilnehmer zu.

     

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