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  • 5. April 2019 Julia Bröder

    SERIE: Wer bildet uns aus? Professor Karl-Martin Obermeier im Interview

    kmoEins vorab: Das soll kein Nachruf werden. Denn bis Frühjahr 2020 ist Karl-Martin Obermeier noch Professor am Institut für Journalismus und Public Relations in Gelsenkirchen. Sein Nachfolger soll aber schon bald feststehen – ein guter Zeitpunkt also, um Karl-Martin Obermeier zu fragen: Wie erlebt er den PR-Nachwuchs von heute? Was wird er aus 16 Jahren Lehre in Gelsenkirchen mitnehmen? Wie soll der Prof sein, der sich an seiner Stelle um die Studierenden kümmern wird? Und: Was hat der Kommunikationsfachmann nach seiner Emeritierung vor?

    Freuen Sie sich auf Sommer 2020?
    Ich freue mich auf das, was kommt. Es ist ja nicht so, dass ich mit der Professur in Gelsenkirchen meine gesamte Lehrtätigkeit niederlege. In Frankfurt am Main werde ich weiterhin an der „Europäischen Akademie der Arbeit“ Vorlesungen halten, außerdem bin ich gerade dabei, zusammen mit der „Technischen Akademie Wuppertal“ einen berufsbegleitenden MBA Kommunikations-Management zu entwickeln, den ich auch leiten soll. Ohne dies wäre der Entzug zu groß.

    Sie werden Ihre Professur also schon vermissen?
    Natürlich! Ich bin seit den Anfängen, also nun seit 16 Jahren, am Institut für Journalismus und Public Relations in Gelsenkirchen, habe es strukturell mit aufgebaut und hunderte Studenten hier betreut. Ich habe die Dualität unseres Studiengangs aus Journalismus und PR mit etabliert und gegenüber Kritikern verteidigt. Da ist die Identifikation selbstverständlich groß.

    Können Sie zusammenfassen, was den Studiengang „Journalismus und Public Relations“ so besonders macht?
    Die Kombination der beiden Disziplinen ist meines Wissens in Deutschland einzigartig. Vom DJV, Netzwerk Recherche und einigen „Edelfedern“ haben wir dafür anfangs Prügel bekommen. Die hatten Angst, dass die Trennschärfe fehlen würde. Ich komme selbst aus dem Journalismus, war zeitweise politisch verantwortlich für 46 Lokalsender in Nordrhein-Westfalen und weiß, wie wichtig eine saubere Trennung ist. Ich weiß aber auch: Als Journalist bist du nur gut, wenn du weißt, wie PR-Leute arbeiten und umgekehrt.

    Und das kann man in Gelsenkirchen lernen?
    Als FH sind wir sehr praxisorientiert. Theorie steht da an zweiter Stelle. In den ersten vier Semestern lernen die Studierenden knallhart, wie man in diversen journalistischen Darstellungsformen und Pressemitteilungen schreibt. Ab dem fünften Semester geht es je nach Schwerpunkt getrennt weiter.

    Welcher Schwerpunkt ist beliebter?
    Das ist ausgewogen. Früher hatten wir 70 Prozent angehende Journalisten, heute wird die PR nicht mehr als „Abfallprodukt“ wahrgenommen. Immerhin wird die strategische Arbeit in diesem Bereich mit der wachsenden Medienlandschaft immer spannender.

    Apropos Wahrnehmung: Wie nehmen Sie denn den PR-Nachwuchs von heute wahr?
    Sicherheitsorientierter als früher. Vielen jungen Menschen ist es wichtiger, im gewohnten Umfeld zu bleiben, als die beruflichen Perspektiven zu erweitern. Das ist schade. Denn PR lebt von Erfahrung. Es ist doch geil, zum Beispiel eine Zeit lang im Ausland zu arbeiten. Stattdessen legen die Leute Wert auf geregelte Arbeitszeiten, sind weniger flexibel. Viele in dieser Generation wollen nicht mehr „malochen“. Das ist ja in Ordnung, aber dann sollte man sich vielleicht überlegen, ob die Medienbranche die richtige für einen ist.

    Reden Sie darüber mit Ihren Studierenden?
    Ja, klar! In meinen Augen sind Journalismus und PR die familienfeindlichsten Berufe, die es gibt. Daran denken die jungen Jungs und Mädels natürlich noch nicht, wenn sie mit 17 hier sitzen und sich einschreiben. Deswegen sagen ich es ihnen. Ich meine nicht, dass man sich als junger PR-Mensch oder Journalist ausbeuten lassen soll – über eine respektvolle Bezahlung von Trainees habe ich schon vor 15 Jahren diskutiert, damals standen übrigens schon die 1.600 Euro im Raum, auf die sich die GPRA heute committed. Das ist ein Witz – aber auch ein anderes Thema. Mir ist wichtig, dass ich mit den Studierenden offen rede und sie auf ihren Start ins Berufsleben vorbereite – eben auch, in dem ich die Fallstricke benenne.

    Sie sind also ein nahbarer Professor?
    Das würde ich schon sagen. Meine Studierenden können mich jederzeit erreichen, wir treffen uns auch bei mir zuhause für Besprechungen, und im Sommer grillen wir gemeinsam auf unserer Terasse. Ich empfinde es als eine große Verantwortung, die jungen Menschen auf ihrem Weg zu begleiten und ihnen Orientierung zu geben. Deswegen betreue ich auch so gerne Bachelor- und Masterarbeiten – mittlerweile sind es bestimmt 700 oder 800. Ich lerne dabei immer etwas dazu. Denn sorrry, aber mit 64 hast du nicht mehr den gleichen natürlichen Zugang zu Themen wie Social Media wie die Studierenden. Das Betreuen von Bachelorarbeiten werde ich an meiner Professur am meisten vermissen.

    Was erwarten Sie von Ihrem Nachfolger?
    In die Auswahl mische ich mich nicht ein. Ich habe 16 Jahre lang mein Bestes gegeben, mein Nachfolger muss das auf seine Weise machen. Schließlich dreht sich die Welt ja auch weiter. Nur zwei Dinge würde ich mir wünschen, wenn ich dürfte. Erstens wäre es schön, wenn unser Studiengang so praxisorientiert bleibt, wie er jetzt ist. Und zweitens sollte der neue Prof bereit sein, Verantwortung für die Studenten zu übernehmen.

    Wird so jemand zu finden sein?
    Nicht so leicht, befürchte ich. Unabhängig vom Titel ist der Job eigentlich nicht besonders attraktiv. Vor allem, was das Gehalt angeht. Praxiserfahrung ist Pflicht für eine Professur an der FH – und wenn die Leute einmal erfolgreich in der Wirtschaft unterwegs waren, können Forschung und Lehre ihnen keine vergleichbaren Summen mehr bieten. 60.000 Jahreseinkommen sind viel, aber nicht für alle in der PR. Natürlich hoffe ich trotzdem, dass jemand die Stelle antritt, der die Studierenden fit macht für die Zukunft. Denn gesucht werden fähige PR-Leute und Journalisten auf jeden Fall!

     

     

     

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