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„Noch immer ist die Arbeitswelt familienfeindlich“
Iris Bethge, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands, hat auf ihrem Karriereweg schon einiges dazu beigetragen, um das zu ändern, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern. Sie weiß um den hohen Wert eines familienfreundlichen Arbeitsumfeldes, sie weiß aber auch, wie viel Zeit es braucht, dieses zu schaffen. Dabei blickt sie auch durchaus selbstkritisch auf ihren eigenen Handlungsrahmen. Unser aktuelles Interview in der Reihe „Frauen in Führungspositionen„:
DER STECKBRIEF
Name + Alter: Iris Bethge, 47
Aktuelle Position: Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB
Personalverantwortung: 80 Mitarbeiter
Frauenanteil unter den Mitarbeitern: Ca. 30 Prozent bei den Führungskräften, ca. 60 Prozent in der Gesamtbelegschaft.DAS INTERVIEW
PR Career Center: Wie sind Sie in Ihren ersten Job mit Führungsverantwortung gekommen, wie alt waren Sie und was war das für eine Stelle?
Iris Bethge: Es war in einer kleinen Zeitungsredaktion, direkt nach meinem Volontariat 1998. Damals sollte diese Zeitung nicht nur schneller, sondern vor allem moderner werden. Ich hatte gerade meine Ausbildung beendet und sollte als kommissarische Redaktionsleitung frischen Wind in die Redaktion bringen.
PR Career Center: Was hat Ihnen auf Ihrem Karriereweg besonders geholfen, einen Schritt weiter und bis auf Spitzenpositionen zu kommen?
Iris Bethge: Beharrlich zu sein, Menschen für Ideen zu begeistern und Entscheidungen auch dann zu treffen, wenn sie unbequem sind. Also auch immer konsequent zu sein. Ich war schon immer neugierig auf Menschen und neue Themen. Das hat mir sicher auch sehr geholfen, ebenso wie der Wunsch, Dinge gemeinsam zu verändern. Und dann habe ich sicher auch davon profitiert, dass ich auch im Kopf ein Stück weit unabhängig geblieben bin und nie an einem Job geklebt habe.
PR Career Center: Wer hat – außer Ihnen selbst – Ihre Karriere maßgeblich beeinflusst? Und was haben Sie von ihr/ihm konkret mitgenommen?
Iris Bethge: Mein ehemaliger Staatssekretär Gerd Hoofe, denn von ihm habe ich gelernt, meinen Gesprächspartnern mit mehr Ruhe und Geduld zuzuhören. Ebenso hat er mir vorgelebt, wie man Probleme und deren Lösung strukturiert angeht und dabei auf Details achtet.
PR Career Center: Was zeichnet Sie als Führungskraft in Ihrer aktuellen Position besonders aus? Wo liegen Ihre Schwerpunkte im Arbeitsalltag?
Iris Bethge: Ich versuche die Menschen hinter den Geschichten oder Problemen zu sehen. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen gern zur Arbeit gehen: Nur wer Spaß an der Arbeit und ein gutes, mobiles Umfeld hat, wird auf Dauer auch Top-Leistungen bringen. Ich schmücke mich nicht mit den Lorbeeren anderer, das verabscheue ich grundsätzlich. Vielmehr nehme ich junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Pflicht, biete ihnen aber auch gern eine Bühne, damit sie zeigen können, was sie können. Das geht zum Beispiel ganz einfach, indem sie ihre Themen in Besprechungen selbst vertreten – und nicht ihrem Chef den Vortritt lassen müssen.
PR Career Center: Was war Ihr bislang schönstes Erfolgserlebnis als Führungskraft?
Iris Bethge: Dass mein früherer Stellvertreter nach einigen gemeinsamen arbeitsreichen Jahren mein Nachfolger wurde. Das haben wir uns zusammen erarbeitet.
PR Career Center: Wie erkennen Sie junge Talente und wie fördern Sie sie? Schaffen Sie im Verband Anreize für die Karrierewege speziell Ihrer Mitarbeiterinnen und was halten Sie von Female-Leadership-Programmen?
Iris Bethge: Im Verband bauen wir derzeit ein Talenteprogramm auf, weil mir wichtig ist, top Mitarbeiter zu gewinnen und sie auch zu halten. Personalentwicklung steckt bei uns noch in den Kinderschuhen, wir haben nun mit einzelnen Bausteinen wie Fortbildungen für junge Führungskräfte begonnen. Ich habe sicher auch ein sehr gutes Gespür für Menschen, habe schon einige Talente in gute Positionen vermittelt, wenn sie mir in Praktika oder in anderen Jobs aufgefallen sind.
PR Career Center: Was verhindert Karriere von Frauen in der Kommunikation? Wie wichtig sind Vereinbarkeit von Karriere und Familie oder Modelle zum Wiedereinstieg nach der Elternzeit? Welche Vorbilder sehen Sie?
Iris Bethge: Richtig. Noch immer ist die Arbeitswelt insgesamt familienfeindlich. Und noch immer trifft es zumeist die Frauen. In meiner Zeit als Kommunikationschefin von Ursula von der Leyen im Familienministerium waren diese Themen mein täglich Brot. Daher weiß ich, dass Arbeitgeber viel an Know-how und Netzwerk verlieren, wenn Eltern erst Jahre später wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren. Es ist so wichtig, dass der Betrieb Vereinbarkeit von Familie und Beruf pusht. Nicht nur für den Arbeitnehmer, der oft zwei Einkommen braucht, um die Familie über Wasser zu halten. Genauso profitiert der Arbeitgeber von einer guten Vereinbarkeit. Als Verband lassen wir uns auf meine Initiative jetzt zertifizieren, bieten mobiles Arbeiten von zuhause an und holen hoffentlich schnell einiges auf. Es gibt vorbildliche Unternehmen, auch Banken, von denen wir hierbei lernen können. Generell gilt, dass immer noch viele Entscheidungen in den Führungsetagen von männlichen Chefs getroffen werden – und dann doch wieder Männer die guten Jobs bekommen. Ich fürchte, das wird sich erst angleichen, wenn noch viel mehr Frauen in Führungspositionen sind. Allerdings muss ich selbstkritisch sagen, dass es auch mir nicht immer gelingt, top Positionen mit Frauen zu besetzen.
PR Career Center: Der Nachwuchs in der Kommunikationsbranche ist weiblich. Welchen Rat geben Sie ihm mit auf den Weg?
Iris Bethge: Lasst Euch nicht entmutigen! Ich musste auch viele Durststrecken überwinden- auch heute noch. Das hört nie auf. Sucht Euch Verbündete.Trefft keine einsamen Entscheidungen, holt andere Meinungen ein, aber dann entscheidet und seid konsequent. Immer wieder für Neues offen zu sein, sich etwas zutrauen und beharrlich für die Sache zu arbeiten. Mit guten Leuten im Team arbeiten, in dem jeder seine Stärken ausspielen kann. Dann macht die Arbeit Spaß. Und irgendwann wird die Mühe belohnt.