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  • 9. August 2019 Julia Bröder

    SERIE: Wer bildet uns aus? Melanie Malczok macht Mut zum kritischen Denken

    Dozentin Melanie Malczok will, dass ihre Studenten mehr tun, als sich auf den Job in PR-Abteilungen und Agenturen vorzubereiten

    Melanie Malczok wünscht sich mehr kritisches Denken an den Unis

    Wer in Lingen oder Chemnitz ein Seminar bei Melanie Malczok besucht, muss sich mit Fragen beschäftigen, die nicht unbedingt auf dem Lehrplan stehen. Die junge Dozentin gibt zwar Veranstaltungen wie „Konzeptionslehre“ und „Datenauswertung“ sowie Einführungen in die empirische beziehungsweise die strategische Kommunikationsforschung und möchte ihre Studenten und Studentinnen damit auch auf die Arbeit in Agenturen oder PR-Abteilungen vorbereiten. Aber nicht nur.

    „Mir kommt bei der Praxisorientierung das kritische Denken zu kurz“, sagt Melanie Malczok. Die wenigsten Studenten und Studentinnen trauten sich, sich mit Themen zu beschäftigen, die über die direkte praktische Vorbereitung auf den späteren Job hinausgehen. Die Haltung der aktuellen Studierendengeneration könne man so beschreiben: „Bring mir etwas bei, damit ich nützlich bin.“ Querdenken sei da nicht drin.

    „Wir Wissenschaftler MÜSSEN unbequem Fragen stellen

    Das möchte Melanie Malczok ändern. Nicht, indem sie Lehrpläne über den Haufen wirft – aber, indem sie den Blick der Studenten erweitert und sie aktuelle Kommunikationsmuster infrage stellen lässt: Wie zum Beispiel beeinflussen strukturelle Machtverhältnisse öffentliche Kommunikation? Welche Rollen nehmen welche Akteure ein, wenn es um die Kommunikation sozialer und ökologischer Veränderungen geht? Welche Bedeutung haben Alter, Geschlecht, Bildungs- oder Migrationshintergrund? Wie unabhängig sind unabhängige Medien wirklich? „Ich kann nicht verstehen, wie man als Wissenschaftler solche Dinge nicht mitdenken möchte“, sagt Malczok bestimmt. Man hört ihr an, dass sie für ihren Ansatz brennt – nicht, um den Studenten irgendeine bestimmte Meinung vorzugeben. „Sondern um ihnen möglichst viele Perspektiven zu zeigen.“

    Das Netzwerk Kritische Kommunikationswissenshaft KriKoWi

    Beim kritischen Umgang mit ihrer Disziplin gebe es noch viel zu viele blinde Flecken, sagt Malczok. „Das ist ein Versäumnis, gerade wenn man bedenkt, dass es ja gerade die Strategische Kommunikation ist, die versucht aktiv öffentliche Meinungen mitzuprägen.“ Ein Grund, warum sie sich dem vor zweieinhalb Jahren gegründeten Netzwerk Kritische Kommunikationswissenschaft, kurz KriKoWi, angeschlossen hat.  Initiiert wurde KriKoWi von Kommunikationswissenschaftlern der Universitäten Stirling, Mannheim, Westminster, Leipzig, Münster, Jena und Salzburg sowie der LMU München und der FU Berlin. Heute stehen 315 Interessierte auf dem Mailverteiler, 14 aktive Mitglieder kümmern sich um Veranstaltungen sowie Forschungsvorhaben und koordinieren Publikationen. „Wir wollen bewusst ein informelles Netzwerk bleiben und jeden ansprechen, der sich für den kritischen Umgang mit unserem Fach interessiert“, erklärt Melanie Malczok. Man müsse dafür nicht an einer Uni lehren oder gar eine Professur haben. Auch Studenten sind explizit eingeladen, sich einzubringen.

    Informationen über die verschiedenen Aktionen werden regelmäßig über den Mailverteiler gestreut. Diesen kann man einfach mit einer leeren E-Mail an krikowi-subscribe@lists.riseup.net abonnieren. Auch die Jahrestagung vom 21. bis 22. November in Leipzig steht Studierenden offen. Weitere Informationen zur Tagung gibt es demnächst auf der Website des Netzwerks: https://kritischekommunikationswissenschaft.wordpress.com/

    Ziel der aktiven KriKoWi-Mitglieder ist es freilich, kritische Ansätze stärker an den Unis zu verankern. Aktuell trifft sich beispielsweise ein Arbeitskreis, der gemeinsam Seminarkonzepte für den deutschlandweiten Einsatz in Unis erarbeitet. Vorbild könnten die Seminare „Kritik der Politischen Ökonomie der Medien und der Kommunikation“ von Sebastian Sevignani (FSU Jena) oder „Digitale Arbeit und Kapitalismus“ von Kerem Schamberger (LMU München) und Thomas Allmer (University of Stirling) sein.

    Selber gerne Prof sein? Schon gerne 🙂

    Melanie Malczok zögert erst bei der Frage, ob sie selbst eine Professur anstrebe. Immerhin gebe es davon nicht eben viele. Momentan promoviert sie zur „Konstitution von Relevanz in der internen Organisationskommunikation“ – und sagt dann doch: „Ja, klar, ich glaube, jeder, der mit Leidenschaft promoviert, hat dieses Ziel.“ Man nimmt es ihr sofort ab, wenn sie davon spricht, dass ihr vor allem die Tatsache gefalle, in der Forschung und Lehre stets ihrer Neugier nachgehen zu können.

    Die Lust, den Zusammenhängen der menschlichen Kommunikation auf den Grund zu gehen, begleitet Melanie Malczok schon ihr ganzes Berufsleben lang. Ihr „Werdegang“ zeigt, was sie auch gerne ihren Studenten ans Herz legen möchte: Ausprobieren lohnt sich. Entscheidungen zur Ausbildung und Job hätten heute oft eine so große Schwere – „dabei sind sie doch meistens gar nicht unumstößlich.“

    Lebensläufe müssen nicht immer linear sein

    So hat die 34-Jährige  zunächst eine Ausbildung zur Foto- und Medientechnikerin gemacht, und Agenturerfahrung gesammelt, bevor sie berufsbegleitend ihre Hochschulzugangsberechtigung nachholte und gleichzeitig beim Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung E-Learning und blended Learning einführte. „Da erlebte ich zum ersten Mal, welchen Einfluss Kommunikation und Medien eigentlich auf den Arbeitsalltag von Menschen haben – sowohl positiv als auch negativ. Das hat mich unfassbar fasziniert, und darüber wollte ich mehr herausfinden.“ Natürlich sei der Schritt aus dem sicheren Job ins Vollzeitstudium zunächst beängstigend gewesen, gibt Malczok zu. „Aber ich wollte einfach wissen, wie weit ich meine eigenen Grenzen schieben kann. Und ein Zurück gibt es fast immer irgendwie.“

    Studiert hat sie dann Kommunikationsmanagement an der Hochschule Osnabrück. Die Themen gefielen ihr so gut, dass sie den Master in Strategischer Kommunikation in Münster dranhängte und schließlich als Wissenschaftliche Mitarbeiterin wieder nach Osnabrück und an den  Campus Lingen zurückkehrte, um sich am Forschungsprojekt PACE (Potentials of Ambient Communication Environments) zu beteiligen. Lehrveranstaltungen sind in ihrer Stellung keine Pflicht – dass sie sie trotzdem hält, überrascht nicht. „Es passiert und wandelt sich in der Kommunikation gerade so viel – ich finde, da MUSS man kritische Fragen stellen, auch schon während des Studiums. Dabei will ich meinen Studenten und Studentinnen helfen.“

     

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