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#metoo – so sehen Frauen aus der PR- und Agenturbranche die Debatte
Harte Vorwürfe von Frauen aus der Filmindustrie gegen Produzent Harvey Weinstein oder auch den deutschen Regisseur Dieter Wedel wegen sexueller Belästigung haben die breite #metoo-Debatte angestoßen, die weit über die Unterhaltungsbranche hinaus geht. Auch Stimmen wie die von Catherine Deneuve wurden laut, Frauen, die sich in der Debatte nicht wieder finden. Wir haben fünf Frauen aus der PR- und Agenturbranche gefragt, wie sie zum Thema stehen.
„Irgendwo in unseren Köpfen klingelte das Moralglöckchen hell und klar, aber wir waren eben die Neuen auf dem Spielfeld.“ Katrin Jahns, Head of Press & Blogger Relations bei Makerist
Wer aufschreit, war zu lange leise. Oder eben: Allein nicht laut genug. Mit zarten 20 Jahren stieg ich als Redakteurin ins Berufsleben ein und legte mir hier an, was es als Frau in männerdominierten Metiers bislang noch serienmäßig anzulegen gilt: ein dickes Fell. Hätte es damals schon die #metoo-Debatte gegeben, wäre vieles einfacher gewesen.
Der Struggle war real, aber ich schlug mich wacker. Das süffisante Grinsen der Kollegen, wenn es mit dem Teamleiter ins 1 zu 1 ging oder ich morgens zufällig mit einem Kollegen zeitgleich im Büro ankam, wischte ich mit taffen Sprüchen von den Gesichtern. Für Interviews, in denen es galt, brisante Details aus bekannten Chauvis heraus zu kitzeln, wurde ich gerne vorgeschickt. Argument: „Dir wird er das schon erzählen, nur zieh doch das schöne Kleid von letzter Woche an.“ Ich war 20 Jahre alt und spurte kommentarlos. In meiner ersten Woche in einem neuen Job nahm mich unsere Sekretärin beiseite und legte mir mütterlich ans Herz, dass es nicht immer leicht werden würde, „hier als Frau“. Ich müsse Stärke und Schlagfertigkeit beweisen und einige Sprüche aushalten müssen. Dann würde ich mich etablieren können. Ich hielt mich an ihren Rat. Und genoss die Zeit mit wenigen Ausnahmen. Was ich ob aller Schlagfertigkeit ausließ: konkret auf Fehlverhalten aufmerksam zu machen, an der Eindämmung zu arbeiten, den Dialog mit den entsprechenden Kollegen zu suchen. Ich spielte mit und meine weiblichen Bekannten und Freundinnen taten es mir in ihren Branchen gleich. Irgendwo in unseren Köpfen klingelte das Moralglöckchen hell und klar, aber wir waren eben die Neuen auf dem Spielfeld und, hey: The Show must go on, so läuft das nun einmal, auch Muttern musste durch und solange dir niemand auf den Hintern haut, ist alles ok. Was willste also machen?
Wer aufschreit, macht Lärm. Und der ist nun mal bitter nötig, wenn die Alarmstufe rot ist. Sogar zweimal, denn die Stimme des eigentlich unüberhörbaren #aufschrei in 2013 musste erst von #metoo wieder neu geölt werden. Plötzlich rumorte es im Kollegen- und Freundeskreis und der kurz vor der Debatte in unserem Start-up eingeführte Code of Conduct gewann noch einmal an Relevanz. Es wurde diskutiert, mal mehr mal weniger hitzig, querbeet unter den Geschlechtern, im Büro wie Zuhause. Ich fühlte mich verstanden und mit jedem Post in meiner Facebook- und Twitter-Timeline mutiger. Was wir im Office nie abschafften: den Humor. Unter der Prämisse, auf individuelle Grenzen und Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen.
Anfang des Jahres meldeten sich die französische Schauspielerin Catherine Deneuve und andere prominente Französinnen in einem offenen Brief kritisch zu Wort: Sie fürchteten mit #metoo den Verlust sexueller Freiheiten in einem „totalitären Klima“. Hartnäckige oder unbeholfene Anmache sei kein Verbrechen, Galanterie nicht zwangsläufig Machismo oder ein Angriff. Fair enough, nur liegen Angriff und Ausmaß der Verletzung eben im Auge des Betrachters. Und jeder hat das gute Recht, verletzt zu sein, wann immer er oder sie will, und individuelle Grenzen nach eigenem Gusto zu setzen. Gefühle abzusprechen, wissen wir, war noch nie eine gute Idee, und führt obendrein zu nichts als noch mehr Frust.
„Was dürfen Männer denn überhaupt noch?!“, tönt es jetzt in so manchem Artikel, in Büros und Netzkommentaren, als würde gleich die totalitäre Feminismuspolizei mit Blaulicht und Handschellen anrücken, wenn der unbeholfene Witz bei der Firmenfeier um 2 Uhr nachts mal nach hinten losgeht. Der Weg zur Antwort: Zuhören, Reflektieren, Empathie trainieren, und das alles so oft wie möglich. Fremde Grenzen erkennen und respektieren, bei einem falschen Spruch auch mal „Sorry“ sagen können, im Büro die meisten Sprüche lieber sowieso klemmen, wenn man nicht schon einen gemeinsamen geheimen Handshake erfunden hat. Und unter Frauen wie auch generell: niemandem die eigenen Grenzen und Gefühle auferlegen. Ein Diskurs ist eine kleine Revolution ist eine Veränderung der Gewohnheiten. Und die tut immer ein bisschen weh. Der neue Kurs in die richtige Richtung rückt mit jeder ausgereiften Diskussion über die #metoo-Debatte und jedem neuen guten Zuhörer näher. Bei #metoo geht es nicht per se um Frauen gegen Männer. Wir sitzen beim Aufbrechen alter Rollenbilder in den Köpfen alle im selben Boot. Nur: Wer am Ende im Kampf um Gleichberechtigung mit aufschreit, wird schneller Land sehen.
„Die Position von Catherine Deneuve bekräftigt die untragbaren Zustände.“ Christiane Wolff, Chief Corporate Communications Officer bei Serviceplan
Endlich haben Frauen die Möglichkeit – weil sie nicht mehr alleine sind, Angst haben müssen oder ihnen nicht geglaubt wird – ihre millionenfachen Erfahrungen mit unangemessenem oder strafbarem Verhalten sexueller Natur zu teilen. Endlich gibt es eine globale Bewegung, die eine längst überfällige Diskussion initiiert hat – mit dem Ziel, dass Frauen in Zukunft nicht mehr in solchen Machtverhältnissen arbeiten und auch leben müssen.
Und jetzt äußern sich Deneuve und Co. in den Medien. Ein Schlag ins Gesicht aller Frauen, die sich endlich getraut haben, sich öffentlich zu äußern? Oder nutzt uns die Position der Altschauspielerin und macht umso deutlicher, wie wichtig #metoo ist? Ja, sie bekräftigt die untragbaren Zustände.
Es ging und geht bei #metoo nie darum, nicht flirten zu dürfen oder Sexualität lustvoll auszuleben – es geht um ein respektvolles Miteinander auf Augenhöhe in allen Bereichen. Jede Diskussion dazu ist daher eine wichtige, Hauptsache wir diskutieren weiter. Denn nur wenn wir alle, Frauen UND Männer, das Thema ernst nehmen, kann eine gesellschaftliche Veränderung passieren.
„Jeder Mensch hat seine eigene Toleranzgrenze, was noch ein Flirt oder was zu viel des Guten ist.“ Susanne Marell, CEO bei Edelmanergo
Susanne Marell
„Dass in der Filmindustrie und anderen Branchen so lange über sexuelle Missbräuche geschwiegen wurde, weil einige Menschen augenscheinlich die Macht haben, Karrieren von anderen zu zerstören, zeigt, wie dringlich die #metoo-Diskussion gestartet werden musste. Sexuelle Übergriffe sind klar zu verurteilen und es ist enorm wichtig, dass sich Frauen (und auch Männer), die sich sexuell belästigt fühlen, wehren und klare Grenzen setzen. Davon unabhängig hat jeder Mensch seine eigene Toleranzgrenze, was noch ein Flirt oder was bereits zu viel des Guten ist – diesen Punkt greifen auch die 100 französischen Frauen in ihrem offenen Brief auf. Diese beiden Initiativen jetzt als Schwarz-Weiß Diskussion zu führen hilft der medialen Aufmerksamkeit, aber nicht unbedingt dem eigentlichen Thema.“
„Wir hätten viel früher zeigen müssen, dass machtbasierter Sexismus ein NO GO ist, das in unserer aufgeklärten Gesellschaft nichts zu suchen hat.“ Susanne Bachmann, CEO bei Impressions Kommunikation
Die Französinnen, allen voran die Grande Dame des französischen Kinos, Catherine Deneuve, finden deutliche Worte zu der Kampagne, die der Fall Weinstein in den USA und inzwischen auch in Europa auslöste: Macht mal halblang, Mädels, alles nicht so schlimm… Flirten muss erlaubt sein und der kleine Klaps auf den Po des Objektes der Begierde selbstverständlich auch. Männliche Aggression sei „unentbehrlich für die sexuelle Freiheit“, heißt es weiter in dem „Aufruf zur Freiheit“. Auch wenn Deneuve kurze Zeit später ein wenig zurückruderte, der offene Brief, den 99 Französinnen unterzeichneten, sorgt für öffentlichen Aufruhr – nicht nur unter Feministinnen. Mich hat er wütend gemacht, dieser vermeintliche Freiheitsaufrauf. Aber auch, das gebe ich zu, nachdenklich. Sorgt #metoo, wie diese Künstlerinnen – übrigens durchaus ernstzunehmende tolle Frauen – behaupten, tatsächlich für die pauschale Vorverurteilung männlichen Verhaltens? Ist es eine Kampagne, die die sexuelle Freiheit, die wir ja auch als Errungenschaft des letzten und unseres Jahrhunderts feiern, einschränkt, gar beendet? Ich denke nicht.
#metoo hat vielmehr etwas ans Tageslicht gezerrt, was nahezu allen Frauen, die beruflich aktiv und erfolgreich sind, schon begegnet ist: die machtbasierte „Anmache“ eines oder einer Vorgesetzen. Sprüche, die verletzend und „klein machend“ wirken, weil sie schlicht sexistisch und anmaßend sind und nichts mit der beruflichen Qualifikation zu tun haben. Oft, zu oft haben Frauen in diesen Situationen geschwiegen und damit die nächste Eskalationsstufe dieses Machtgebarens eigentlich erst möglich gemacht: die sexuelle Gewalt per Position. Wir haben es unterschätzt. Wir haben nicht verstanden, dass wir hätten sprechen müssen. Viel früher hätten wir zeigen müssen, dass machtbasierter Sexismus ein NO GO ist, das in unserer aufgeklärten Gesellschaft nichts zu suchen hat. Klar haben wir uns damit irgendwie zu Opfern gemacht, klar haben wir damit etwas manifestiert, was mit #metoo jetzt, Jahre zu spät, wie ich finde, öffentlich wird. Berauscht von den Möglichkeiten der selbstbestimmten Karriere haben wir Frauen, allem Feminismus zum Trotz, die Wirklichkeit der Jahrhundertlang gelebten Geschlechterklischees schlicht außen vorgelassen. Jetzt haben wir dank #metoo erstmals die Chance, diese Welt, dieses Miteinander von Mann und Frau zu korrigieren. Wir dürfen aufstehen und „Nein“ sagen, wir müssen die sexualisierte Atmosphäre in den Vorstandsetagen oder Agenturen dieser Welt nicht mehr hinnehmen. Wir dürfen, ja, wir müssen uns wehren.
Allerdings und das ist etwas, was mir an dieser Debatte nicht gefällt und wo ich ein Stück weit bei den Französinnen bin: Nicht alle Männer sind per se, nur weil sie unsere Chefs sind oder schlicht am längeren Machthebel sitzen, Schweine. Mit den meisten klappt das berufliche Miteinander doch ganz wunderbar. Auf Augenhöhe. Respektvoll und wertschätzend. Für diese Wertschätzung möchte ich eine Lanze brechen. Ich möchte, dass Frauen, aber auch Männer für das akzeptiert werden, was sie an geistigem Rüstzeug, an Kreativität, an Engagement und Begeisterung mitbringen. Ich plädiere für ein entspanntes Miteinander, ein Miteinander, das nicht jedes Wort auf die sexuelle Anmach-Goldwaage legt, ein Miteinander, in dem wir keine Angst mehr voreinander haben müssen und ein Miteinander, wo das Misstrauen keine Chance hat. Dank #metoo haben wir den Boden für die Aufarbeitung dieser Geschlechtermisere, die übrigens in Agenturen ebenso häufig anzutreffen ist wie in Konzernen oder im Mittelstand, bereitet.
Die Zeit ist reif. Nutzen wir unsere Chance und schließen den Gender-Gap.
„Wir brauchen Gleichberechtigung auf allen Ebenen. Und jeder Verstoß muss öffentlich werden.“ Franziska von Lewinski, Vorstand bei FischerAppelt
Die #metoo-Debatte ist ein Riesenglück für unsere Kinder – Mädchen wie Jungen. Meiner Meinung nach kann nicht genug sensibilisiert und ausgesprochen werden. Auch in unserer Branche muss sich einiges ändern. Es gibt kein „Zuviel“. Dabei wäre es so einfach: Wir brauchen Gleichberechtigung auf allen Ebenen. Und jeder Verstoß muss öffentlich werden.