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Krisen im Social Web: Es fehlt an Erfahrung und Handwerkszeug
Blitz-Umfrage offenbart Schwächen deutscher Unternehmen
Krise? Klar, ist wichtig!
Seit Wochen beschäftigen sich die deutschen Wirtschafts- und Tageszeitungen pausenlos mit der Krise der Automobilindustrie, ausgelöst durch #Dieselgate bei Volkswagen. Befeuert wird sie durch die üblichen Empörungswellen im Social Web. Anstatt kluge Ratschläge zu geben, haben wir im Rahmen einer internationalen Blitz-Umfrage gefragt: »Wie gut fühlen sich Unternehmen auf Krisen im Social Web vorbereitet?« Ob Berater oder Pressesprecher, knapp 100 Kommunikationsprofis aus Deutschland und der ganzen Welt haben unsere Fragen aus ihrer Sicht beantwortet. Trotz extrem hoher Branchenvielfalt ist damit keine repräsentative Auswahl deutscher oder gar internationaler Unternehmen erfüllt. Die Ergebnisse verschaffen dennoch interessante Einblicke, wo es besonders bei größeren deutschen Unternehmen im Jahr 2015 typischerweise noch klemmt und wie sie im internationalen Vergleich dastehen.
Krise im Social Web? Naja, gehört ja fast dazu, oder?
Die gute Nachricht zuerst. Gut drei Viertel (78 Prozent) der Befragten aus Deutschland geben an, dass ihr Unternehmen eine gesunde Sensibilität für Krisen im Allgemeinen hat und sich auf den Ernstfall vorbereitet. Angesichts der Tatsache, dass ein Großteil der Teilnehmer in Unternehmen mit der mehr als 1.000 Mitarbeitern arbeitet, wäre weniger auch besorgniserregend.
Bei diesen Krisen auch den Einfluss des Social Webs mitzudenken, halten immerhin noch zwei Drittel (68 Prozent) für wichtig oder sehr wichtig. Damit bleiben sie jedoch deutlich hinter den internationalen Kollegen zurück. Im internationalen Kontext gehört Social Media zur Krisenprävention ganz selbstverständlich dazu (92 Prozent).
Prävention? Sieht mein Chef leider nicht so dringend…
Das schlechtere Ergebnis auf deutscher Seite dürfte auch damit zusammenhängen, dass die befragten Kommunikatoren in Deutschland ihren Chefs ein erschreckendes Zeugnis ausstellen. Gerade einmal sechs Prozent bekommen von ihrem Top-Management für die Krisenprävention im Social Web wirklich volle Unterstützung. Gerade die ist aber entscheidend, wenn alte Strukturen hinterfragt, Silos eingerissen, Gesprächsbereitschaft hergestellt oder Dringlichkeit erzeugt werden muss. Im internationalen Vergleich ist die »volle Rückendeckung« mit 34 Prozent deutlich höher.
Vorbereitung? Aber doch nicht fünf Tweets für jede Eventualität?
Stellen Sie sich vor, die Krise läuft. Fans und Follower wollen endlich wissen, woran sie sind. Typischerweise ist alles, was Sie haben, eine Pressemitteilung in feinstem Juristendeutsch. Für das Social Web ist das leider völlig unbrauchbar. Während die Uhr tickt, verspielen Sie die mühsam aufgebauten Sympathien und Fürsprecher. So oder so ähnlich sähe es wohl bei 70 Prozent der Befragten in Deutschland im Ernstfall aus. Sie gaben an, in der Krisenprävention kein Material zu erstellen, das auch für das Social Web verwertbar wäre.
Natürlich macht es wenig Sinn, für jede noch so abwegige Situation Tweets und Posts vorzubereiten. Ein paar grundlegende Dinge für besonders reputationsschädigende und besonders wahrscheinliche Fälle sind aber unerlässlich. Ein empathisches Statement, eine Infografik, die sie nur in Details anpassen müssen, einen Q&A, der nicht nur in 140 Zeichen antwortet, sondern auch ein paar Links, Fotos, Namen enthält. Kurz, alles was Ihnen hilft, schnell und auf Augenhöhe zu erklären, was Sie schon wissen oder eben noch nicht wissen. Wenn Sie das vor dem Krisenfall mit der Rechtsabteilung besprochen haben, stehen die Chancen ganz gut, dass Sie die Materialien auch wirklich verwenden können, wenn die Zeit knapp und der Druck hoch ist. Dann müssen Sie nicht mehr darauf hoffen, dass am gleichen Tag der Papst abdankt, Justin Bieber ohne Handtuch auf den Balkon läuft oder Ihr Chef reinkommt und sagt: »Gut, dass das nur eine Übung war!«
Übungen? Bringen die was?
Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich nur um eine Übung handelt, ist allerdings sehr gering! Nur ein Drittel der Befragten nimmt in regelmäßigen Abständen (mindestens alle zwei Jahre) an irgendeiner Art von Krisentraining teil, die auch das Social Web einbezieht. Daher verwundert es nicht, dass mehr als die Hälfte der Befragten (56 Prozent) keine Erfahrung mit Social Media-Krisen haben. Aber selbst von den Wenigen (16 Prozent), die regelmäßig Übungen absolvieren, fühlt sich nur die Hälfte (8 Prozent) so gut vorbereitet, dass sie voller Überzeugung sagt, Erfahrung mit Krisen im Social Web zu haben. Mit anderen Worten: Alarmstufe Rot für erfolgreiche Krisenkommunikation in der digitalen Ära. Aber was kann man da machen?
Krisen im Social Web kann man doch nicht simulieren! Sagt wer?
Inzwischen gibt es ausgezeichnete Tools, die sehr komplexe Szenarien mit dem vollen Funktionsumfang der verschiedenen Kanäle abbilden können. Mit nahezu unbegrenzt vielen Teilnehmern können sowohl große Krisensimulationen ganzer Konzerne, als auch kleinere Übungen für einzelne Teams durchgeführt werden. Die Eckdaten dazu finden Sie hier. Details und Hintergründe dazu stellen wir Ihnen in einer der nächsten Blogposts mit dem Titel: »Stresstest in Echtzeit – Social Media Krisen erfolgreich und sicher simulieren« vor.
Weitere Details zur Umfrage und Informationen zu Krisenkommunikation
- Alle Ergebnisse im Detail als Slideshare-Präsentation
- Die wichtigsten Ergebnisse aller Teilnehmer als Infografik
- Weitere Angebote zu Krisenkommunikation und -prävention bei Klenk & Hoursch
Wie haben wir die Umfrage gemacht?
Drei Worte zum Hintergrund für die »Wie-lügt-man-mit-Statistik-Kritiker« und »Möchtegernrepräsentativ-Aufpasser« – Leute wie mich. Wir haben 158 Experten aus unserem Netzwerk angeschrieben. Ehemalige und aktuelle Kunden, Partner, befreundete Agenturen, Influencer, Berater. Insgesamt 98 haben geantwortet. Knapp zwei Drittel (63 TeilnehmerInnen) davon kamen aus Deutschland, das verbleibende Drittel (38 TeilnehmerInnen) buchstäblich aus aller Welt. Damit gibt die Umfrage einen guten Einblick in die aktuelle Situation von Unternehmen, auch wenn trotz extrem hoher Branchenvielfalt nicht von einer repräsentativen Auswahl gesprochen werden kann.
Agenturen und freie Berater wurden gebeten, die Fragen für eines ihrer Unternehmen auszufüllen. Die Befragung lief vom 15. bis 18. September 2015. Der Anteil der Berater lag bei ungefähr 25 Prozent. Die ausgewerteten Fragebögen wurden mehrheitlich von Unternehmensvertretern ausgefüllt, die mehr als 1.000 Kolleginnen und Kollegen in ihrer Organisation haben. Ein Fünftel der Unternehmen engagiert sich aktuell nicht im Social Web. Nur für einen Bruchteil der Befragten haben wir bisher digitale Projekte umgesetzt. Bleibt die Frage: Wie gut wären Sie vorbereitet?
Simeon Ulandowski ist Senior Consultant bei Klenk & Hoursch und leitet den Beratungsbereich Social Media & Digitial Marketing.Der Blogbeitrag ist zuerst auf www.klenkhoursch.de/blog erschienen.