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„Keine Angst vor blauen Flecken“: Die Branche sucht nach der Agentur der Zukunft
Auf dem DPRG-Zukunftsforum in Gelsenkirchen diskutierte Daniel Hanke, Vorstand bei Klenk & Hoursch mit Thyssen-Krupp-Kommunikationschef Alexander Wilke über dessen Customized Agency Bobby & Carl. Jonas Hille war dabei.
Weltweit sitzen schlaue Köpfe zusammen, um die goldene Idee auf das weiße Blatt zu zaubern. Auf der Suche nach der einen disruptiven Idee, die bestehende Produkte oder Dienstleistungen „zerstören“ und vollständig vom Markt verdrängen kann.
Auch die Kommunikationsbranche braucht Innovationen, weil sie sonst disrupted wird. Ein Thema auf dem DPRG-Zukunftsforum in Gelsenkirchen: Was macht die Agentur der Zukunft aus? Wie müssen sich Agenturen von heute wandeln? Darüber stritten sich Alexander Wilke (Global Head of Communications bei der thyssenkrupp AG) und Daniel J. Hanke (Vorstand der Kommunikationsberatung Klenk & Hoursch AG). Im Zentrum der Debatte stand Bobby & Carl, die im Frühjahr neu ins Rennen geschickte Customized Agency aus dem Stall von thyssenkrupp. Ausgerechnet thyssenkrupp, mag man meinen. Jenes traditionsreiche DAX-Unternehmen, das man als Industriekonzern nicht unbedingt als Vorreiter der Kommunikationsbranche vermuten würde, weil Kommunikation weit vom Kerngeschäft entfernt ist und zudem B2B-Kommunikation nicht im Ruf steht, die Speerspitze der Kommunikationsbranche zu sein. Aber vielleicht trügt dieser Ruf ja.
Gemeinsam mit den Werbern von Thjnk hat thyssenkrupp eine eigene Werbe- und Digitalagentur mit dem klangvollen Namen Bobby & Carl gegründet. „Wir haben am Markt nicht gefunden, was wir gesucht haben“, sagte Alexander Wilke, der deshalb selbst gründete. Wilke & Co. wollten Innovationen vorantreiben und den Konzern ausbauen. Sein Ansatz: Pop-up Agenturen statt starren Netzwerkagenturen. Gäbe es beispielsweise ein Kommunikationsproblem auf dem asiatischen Markt, könne thyssenkrupp die eigene Agentur für ein paar Monate dorthin verlagern, bis die Probleme gelöst seien. Klingt logisch. „Man darf keine Angst vor blauen Flecken haben“, so Wilke weiter. Man müsse stattdessen agil, schnell und adaptionsfähig bleiben.
Daniel J. Hanke verfolgt einen anderen Ansatz. Den einen goldenen Weg gebe es nicht. Vielmehr gehe es darum, die eigene Organisation um einen ständigen Wandel herum zu entwickeln. Agenturen nehmen dabei eine Schlüsselrolle ein. „Agenturen haben eine andere Sichtweise von außen. Sie sind unabhängig und nicht Teil des Systems“, erläuterte Hanke, der mit seiner Agentur DAX-30, Fortune-500 und den Mittelstand in den Bereichen Unternehmens- und Markenkommunikation berät. Bobby & Carl sieht er nicht zwangsläufig als Konkurrenz, vielmehr unterstreicht er die Flexibilität von externen Agenturen, die sich individuell auf ihren Kunden einlassen und eine neue Perspektive einbringen. Außerdem sei die Kreativität nicht eingeschränkt, so Hanke. Aus beiden Standpunkten entwickelte sich eine lebhafte, wenngleich auch kurze Diskussion über die mögliche Zukunft der Agenturen. Für Alexander Wilke von thyssenkrupp brauchten externe Agenturen zu lange und müssen sich zunächst einmal intensiv mit dem Unternehmen auseinandersetzen. So könnten Kundenbedürfnisse nur schwer gedeckt werden. Customized Agencies dagegen hätten den entscheidenden Vorteil, dass sie direkt im Geschehen sind und wenig Startzeit benötigten.
Ob der Ansatz massentauglich ist, bleibt abzuwarten. Sicher passen Customized Agencies nicht in jede Unternehmenskultur. Für Bobby & Carl hat thyssenkrupp Mitarbeiter aus dem Bereich Social Media ausgegliedert, was sicher nicht in jedem Konzern möglich ist. Nun sucht der Industrieriese nach weiteren kreativen Mitarbeitern, die für eine auffällige eigene Agentur stehen. „Wer behauptet, dass er weiß, wie Kommunikation in der Zukunft aussieht, lügt“, formulierte Wilke. Ein durchaus spannender Ansatz: Bald wird sich zeigen, inwieweit Bobby & Carl ein Vorreiter sein kann oder ob dieses Projekt andere Großkonzerne zu eigenen Ideen inspiriert. Für den Nachwuchs der Branche erschließen sich mit Customized Agencies neue, kreative Arbeitsbedingungen, die sich von der Unternehmenskommunikation lösen können. Und auch die klassischen Agenturen müssen sich weiterentwickeln, neue Wege finden. Am Ende des Zukunftsforums blieben zwei Fragen offen: Wann und wie wird die Branche „ge-ubert“? Wer wird der große Disrupter?
von Jonas Hille
Jonas Hille, 23, hat den Bachelor in Journalismus und Public Relations an der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen gemacht und war dort unter anderem in der DPRG-Studierendengruppe aktiv. Derzeit studiert er Kommunikationswissenschaft im Master an der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster. Seit Februar arbeitet er im Vorstand Studierendeninitiative campus relations e.V. Sein langfristiges Ziel: Die Unternehmenskommunikation.