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  • 5. Juli 2015 Ketchum Pleon

    Ich bin dagegen! …oder doch dafür?

    PR-Profis, Werber und Politiker sind sich in einer Frage einig: Wie können wir die Meinungen von Stakeholdern, Konsumenten und Wählern dauerhaft verändern? Und wie schaffen wir es, insbesondere diejenigen zu überzeugen, die einem nicht wohlgesonnen sind? An diesen Fragen beißt sich selbst die Wissenschaft ihre Zähne aus.

     

    Was passiert denn in der Regel, wenn wir in den Medien etwas lesen oder sehen, das nicht unseren Vor- und Einstellungen entspricht? Unsere Meinungen verfestigen sich, obwohl wir nachweislich Dinge lesen oder sehen, die das Gegenteil darstellen. Das ist der sogenannte „Backfire Effect“. Das bedeutet, dass wir nicht nur unsere Informationen gründlich aussuchen und wahrnehmen, sondern wir auch sehr selten unsere Meinungen ändern. So weit so gut.

    In den USA ist der Häuserwahlkampf („Canvassing“) ein wichtiger Teil im Kommunikations-Mix In der Nachbarschaft sollen vor allem Mitstreiter und Befürworter einer Sache, für die Wahl aktiviert werden. So geschehen auch 2013, bei einer Abstimmung zur gleichgeschlechtlichen Ehe in Kalifornien. Die Erwartungshaltung der Befürworter: ein sicherer Sieg. Eigentlich ein Selbstläufer in einem der liberalsten US-Staaten. Daraus wurde dann aber nichts. Die Gegner der gleichgeschlechtlichen Ehe hatten gewonnen.

    Nach dem Schock sind die Verantwortlichen des Los Angeles LGBT (Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender) Centers wieder losgezogen und haben es mit einer alternativen Vorgehensweise versucht: Sie haben explizit mit den Gegnern persönlich an der Haustür gesprochen. Die Ergebnisse sind erstaunlich und überzeugend. Die Gegner der Gleichberechtigung gleichgeschlechtlicher Ehen änderten tatsächlich ihre Meinung zu diesem umstrittenen Thema – und das nicht nur aus Höflichkeit gegenüber den Gesprächspartnern. Vielmehr waren sie von nun an Befürworter – und das auch noch ein Jahr später. Sie haben sogar selbst andere von ihrer geänderten Meinung überzeugenkönnen. Forscher der UCLA und Columbia University bestätigen dieses Ergebnis. Die Zahl der Befürworter stieg um 15 Prozentpunkte von 47 auf 62 Prozent.

     

    Aber wie hat es funktioniert?
    Das persönliche Gespräch mit den Gegnern, also das Canvassing selbst, ist an sich schon eine unübliche Form des Campaignings gewesen. Das größte Erfolgsgeheimnis dieser Herangehensweise aber war, dass eine persönliche Bindung zwischen „Canvasser“ („Stimmenwerber“) und Wähler hergestellt wurde. Denn: jeder Canvasser ist selbst persönlich involviert gewesen, weil er/sie selbst homosexuell ist. Sie haben ihre eigenen Geschichten erzählt, emotionale Bindungen hergestellt und darauf verzichtet, idealistische und gesellschaftliche Gründe aufzuzählen. Das Ziel war: bloß nicht zu abstrakt, die Geschichten müssen persönlich sein und in der Lebenswelt des Gesprächspartners vorkommen. Ein weiterer wichtiger Punkt zum Erfolg war die Herangehensweise an die Gespräche: Zuhören statt mit Argumenten zu beschallen, dem Gegenüber seine individuelle Geschichte erzählen und ihn somit emotional teilhaben lassen. Das bedeutet aber gleichzeitig auch, dass in solchen Fällen eine vorab geplante Diskussions-Road-Map keinen Erfolg hat. Diese Art von Kommunikation lässt sich nur schwer steuern.

     

    Was kann man daraus für die PR ableiten?
    Was bedeutet das jetzt über das politische Campaigning hinaus? Ist das Thema nicht zu spezifisch als dass es für andere PR-Bereiche herhalten kann? Dass dies kein Plädoyer für die Haustür-PR werden soll, dürfte wohl klar sein. Aber dieses Beispiel zeigt erstens, wie wichtig es ist, in die Lebenswelt der Zielgruppen einzutauchen. Unkonventionelle Wege beschreiten, die sogenannte „Extra-Mile“ gehen und alte Denkmuster aufbrechen, sind dabei wichtige Eckpfeiler. Zweitens sind authentische Geschichten in einem Storytelling-Ansatz nicht zu unterschätzen, wenn es um persönliche und emotionale Bindungen geht. Glaubwürdigkeit darf daher nicht nur verkündet werden, sondern sollte auch gelebt werden. Schließlich wird in diesem Beispiel deutlich: Sprich auch mit deinen Gegnern. In der Krisenkommunikation ist das meist ein wichtiger Überlebensfaktor.

     

    @MatthiasKräling

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