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  • 24. Mai 2018 Nico Kunkel

    Ein Vorstellungsgespräch ist kein Verhör. Über die Fragen, die nicht gestellt werden

    Agenturchef Christoph Schwartz wundert sich darüber, wie junge Bewerber bisweilen im ersten Gespräch aufschlagen. Sein Hinweis: Bewerbungsgespräche sind kein Verhör, und auch der Arbeitgeber will „gegrillt“ werden. „Ihr dürft kritische Fragen stellen“, sagt Schwartz. „Ihr müsst das sogar!“

    Gerade haben wir eine Reihe von Vorstellungsgesprächen abgeschlossen und ziehen das Resümee: Höhere Qualität der Bewerber bei gleichzeitig deutlich gestiegenen Gehaltsvorstellungen − vor allem im Einstiegsbereich, Direkteinstieg statt Trainee gewünscht und zunehmend mehr Bewerber mit Marketing- als mit PR-Background. Wie in den vergangenen Jahren haben wir versucht, Gespräche auf Augenhöhe zu führen. Kaum Abfragen von Assets, keinerlei Fang- oder Testaufgaben, keine Standard-Fragen nach Stärken und Schwächen.

    Doch nach wie vor stimmt es uns nachdenklich, dass nur wenige Bewerber in der Lage waren, ein interessantes Gespräch zu führen. Den Lebenslauf runterbeten gelingt meist souverän, die ersten Fragen zu einzelnen Stationen werden ebenfalls gut pariert, aber dann sollte sich so ein Gespräch ja öffnen und zu einem Dialog entwickeln. Wir würden uns über interessante und neugierige Fragen an uns freuen. Nur − diese Fragen bleiben meist aus oder sie verbleiben im Bereich der Banalitäten oder des Organisatorischen. Ist das eine Frage des Interesses, der Neugier, der Reflexion oder der Vorbereitung?

    Liebe Bewerberinnen und Bewerber,

    ein Vorstellungsgespräch ist ein gegenseitiges Kennenlernen, kein Verhör. Ihr wollt doch auch etwas von Eurem künftigen Arbeitgeber erfahren. Wir Agenturen wünschen uns ein Gespräch, in dem uns ein Bewerber mal so richtig durch den Ring jagt, uns neugierig befragt und auch hinterfragt, uns zum Nachdenken bringt. Ihr wollt doch wissen, wie wir ticken, was wir denken und was uns wichtig ist:

    Welchen Stil bei der Mitarbeiterführung praktizieren wir? Wie arbeiten wir mit unseren Kunden zusammen? Oder wie gewinnen wir Etats und warum akquirieren wir nie kalt? Auch Fragen nach der geschäftlichen Agenturentwicklung der letzten Jahre und unserer Wachstumsstrategie könnten wichtig für Euch sein. Fragt doch mal nach den Aussichten, unseren Zielen, der Zukunftsplanung. Beispielsweise: „Wohin entwickelt sich Ihre Agentur inhaltlich in den nächsten Jahren? Wie begegnen Sie den großen Änderungen in der Kommunikationsbranche?“ Und wollt ihr nicht auch etwas über Fluktuation, Mitarbeiterzufriedenheit oder die Stimmung im Team erfahren?

    Ich bin noch nie nach gefragt worden, was ich am meisten an meinen Mitarbeitern schätze oder wie ich sicherstelle, dass wir alle an einem Strang ziehen und nicht gegeneinander arbeiten. Das sind aber wichtige Kulturfragen.Es gibt so viele Fragen nach Führungsstil, wirtschaftlicher Situation, Werten, Kultur und Aussichten, die einem Bewerber die Entscheidung für (oder gegen) einen Arbeitgeber erleichtern. Ich bin überzeugt, dass drei bis vier Fragen zu diesen Themen die Arbeitgeber entlarven, die sich darum noch nie Gedanken gemacht haben.

    Hinterfragt Euch selbst: Was ist Euch wichtig? Traut Euch und fragt diese ungestellten Fragen, denn mit den Antworten gelingt es Euch viel besser, zwischen Spreu und Weizen zu unterscheiden und den richtigen Arbeitgeber zu finden! Und gleichzeitig beweist Ihr Flughöhe. Wir Agenturen wollen gerne etwas von uns preisgeben. Wir wollen nicht nur von Euch überzeugt werden, wir wollen Euch überzeugen und gewinnen. Und ganz ehrlich, wenn ein Bewerber oder eine Bewerberin keine Neugier zeigt und uns auch nicht hinterfragt, dann fehlt ihm oder ihr eine der wichtigsten Eigenschaften eines Kommunikationsberaters: Eine grundsätzliche Neugier und damit die Fähigkeit, ein interessantes Gespräch über kluge Fragen zu führen und zu gestalten.

    Über den Autor …

    … nach zweijähriger Ausbildung zum Werbekaufmann und BWL-Studium kam Christoph Schwartz 1991 über die damalige ABC EUROCOM (heute Havas PR) in die PR. 1993 wechselte er zu Burson Marsteller und gründete nach Schließung deren Münchener Niederlassung 1994 seine eigene Agentur. „Es war immer mein Ziel, in einem kommunikativen Umfeld zu arbeiten. Die Mischung aus Themenvielfalt, strategischer Arbeit, Verantwortung, Schnelligkeit, Kunden- und Journalistenkontakten und der breiten Teamarbeit haben den PR-Beruf in einer Agentur für mich bis heute immer attraktiv gemacht.“

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