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  • 10. Juli 2015 komm.passion

    CEO-Kommunikation: Warum auf Sonnenkönige die Guillotine wartet

    Der Konzern bin ich!

    Einer der größten Fehler, den man als CEO machen kann, ist es, sich als oberster Manager zu verstehen. Mit der Beförderung an die Spitze ist die Zeit des operativen Geschäfts endgültig vorbei. Der CEO befindet sich nicht mehr unter dem schützenden Dach des Unternehmens – nicht einmal wie ehedem als Primus inter Pares im Kollegenkreis des Vorstands – sondern an der exponierten Schnittstelle von Konzern und Gesellschaft. Zukünftig wird er einen großen Teil seiner Zeit damit verbringen, mit Politik, Stakeholdern, Medien und Öffentlichkeit zu kommunizieren. Alt wird zwischen den Mühlsteinen wirtschaftlichen Erfolgszwangs und einer mit Fallstricken gespickten Kommunikationslandschaft kaum noch jemand. Der Unternehmenslenker ist mittlerweile nicht mehr Patriarch für eine ganze Ära, sondern Verbrauchsmaterial mit begrenzter Haltbarkeit. Umso wichtiger ist es zu wissen, dass man über einen falschen Satz genauso leicht ins Nichts stolpern kann wie über eine verpasste Ergebnisprognose.

    Der CEO als Frontmann: Ohne Selbstvermarktung geht es nicht

    Unter dem Strich ist der CEO inzwischen fast ein Politiker, und genau von dieser Berufsgruppe kann er für seine Kommunikation einiges lernen. Die wichtigste Botschaft ist dabei, dass nur derjenige wirken kann, der bleibt. An der Oberfläche wird in der Politik stets über Sachfragen gesprochen. Dicht darunter arbeitet aber ein komplexer Mechanismus von Öffentlichkeitsarbeit und Networking, in dem die Sicherung von Stimmen und Stimmungen ebenso viel Gewicht hat wie das verhandelte Thema. Solange diese Balance einigermaßen gewahrt bleibt, ist das auch völlig legitim. Denn was nützt das beste politische Konzept, wenn sein Treiber in die Wüste geschickt wird?

    Auch für den CEO gilt: Kommunikation spricht nie nur über wirtschaftliche Sachverhalte, sondern stets auch über den Menschen. Selbstvermarktung ist eine legitime und notwendige Facette der Arbeit für das Unternehmen. Dies gilt umso mehr, als die Öffentlichkeit Strategie und Handeln globaler Konzerne in ihrer Komplexität kaum noch versteht.

    Genau wie in der Politik wird dieses Problem von den Medien durch Personalisierung gelöst. Die Menschheit liebt diesen Kunstgriff, durch den sich ganze Epochen auf ein Gesicht reduzieren lassen: „Unterm Wiedeking hat Porsche grade noch mal die Kurve gekriegt.“ Vom CEO wird im Personalisierungsspiel zunächst einmal Storytelling erwartet, das Reduzieren komplizierter Sachverhalte auf eingängige Erzählungen, notfalls sogar auf bildzeitungstauglich schlichte Moritaten.

    Extremer wird es, wenn der Chef von den Medien nicht nur halbwegs jobgerecht als „Erklär-Bär“ eingesetzt, sondern als Projektionsfläche für das gesamte Unternehmen missbraucht wird. Der CEO steht dann nicht mehr für das Unternehmen, er IST das Unternehmen und verdrängt letztlich mit seinen Charaktereigenschaften die teuer aufgebaute Marke. Wer sich (oft sogar begeistert) auf diese Rolle einlässt, muss sich nicht wundern, wenn er damit dann auch die Verantwortung für jedes Detail im Konzern übernimmt. Unvergessen ist Hartmut Mehdorns Zeit bei der Bahn, in der er für Otto Normalverbraucher persönlich die Schuld an jeder Verspätung, jedem defekten Fahrkartenautomaten und jeder ausgefallenen ICE-Klimaanlage trug.

    Das Beispiel „Deutsche Bahn“ zeigt aber auch, dass die Grenzen der Personalisierung vom CEO selbst gesetzt werden. Nachdem Mehdorn 2009 die politische Verantwortung für einen Datenschutzskandal übernehmen musste, setzt sein Nachfolger Rüdiger Grube deutlich andere kommunikative Akzente. Nach innen ist er mindestens so rigoros wie sich Hartmut Mehdorn gerne öffentlich gab – praktisch der gesamte Vorstand wurde beim Amtsantritt ausgetauscht. Nach außen tritt er dennoch wesentlich sparsamer und diplomatischer auf. Dem Image der Deutschen Bahn hat dies eher genützt. Durch den Wegfall des zuverlässig aggressiven Anti-Helden bleibt den Medien lediglich übrig, weniger über den CEO und – selbst in einer Zeit pausenloser Streiks – sachlicher über die Bahn zu berichten.

    Tüchtig sein ist nicht genug: Das Management von Erwartung

    Es gab einmal eine Zeit, in der Telefone Tischmöbel waren, Sparbücher Zinsen brachten und der Osten rot war. Damals, vor gerade einmal einem Vierteljahrhundert, reichte es für den Sprecher des Vorstands aus, gute Zahlen zu liefern.

    Beim CEO von heute wird kompetente Arbeit immer noch gerne gesehen. Mindestens ebenso wichtig ist mittlerweile aber die Frage geworden, wie er seine Arbeit kommunikativ verkauft. Ein ungeschickt kommunizierter Triumph kann für seine Zukunft gefährlicher werden als ein brillant erklärter Misserfolg. Dass selbst rekordverdächtige wirtschaftliche Leistungen nicht vor Angriffen schützen, zeigt das Beispiel Volkswagen. Bernd Pischetsrieder steigerte unter seiner Führung den Aktienwert des Unternehmens um 80 Prozent und stolperte dennoch 2006 über seine Ungeschicklichkeiten beim Networking. Seinem wirtschaftlich ebenso erfolgreichen Nachfolger Martin Winterkorn wäre es jüngst fast genauso ergangen, wenn der Aufsichtsrat nicht die Lust an Ferdinand Piëchs Machtspielen verloren hätte.

    Kommunikation toppt inzwischen also ganz offensichtlich Leistung. Welche Seite der Waage aber auch gerade das Übergewicht hat, trennen lassen sie sich nicht voneinander und daher leider auch nicht in simplen Einzelstrategien behandeln.

    Natürlich gibt es die Homestory oder das Schaulaufen bei Opernball und Wagnerfestspielen. Ganz überwiegend wird Kommunikation eine Optik sein, durch die wirtschaftliche Fakten präsentiert werden. Die wirtschaftlichen Fakten werden das Futter sein, aus dem sich Kommunikation speist. Für den CEO sind also immer zwei Bälle in der Luft. Bei genauerem Hinsehen kommt sogar noch ein dritter, eminent wichtiger hinzu.

    Es geht bei der Kommunikation nämlich sehr selten allein um die Gegenwart. Wie an der Börse spielt weniger der aktuelle Kurs als die Kursphantasie die entscheidende Rolle. Was der CEO bei seiner Kommunikation also vor allem leisten muss, ist ein Management von Erwartungen, das plausibel den Bogen von der Vergangenheit über die Gegenwart in die Zukunft spannt. Hier liegt der Schlüssel, mit dem beispielsweise trotz aktueller Misserfolge Vertrauen bewahrt werden kann. Stimmen die Zahlen einmal nicht, hilft es nur begrenzt, in der Vergangenheit zu stochern und Schuldige zu suchen. Eine klare Analyse der Situation muss sein, wichtiger ist aber eine klare Strategie für die Zukunft. Mit einem überzeugend präsentierten Konzept für den Turnaround lässt sich mehr interne Motivation und mehr externe Unterstützung mobilisieren als mit einer Punktlandung auf den ewig gleichen drei Prozent Wachstum.

    Noch tückischer für das Erwartungsmanagement können strahlende Erfolge sein. Alte Hasen werden in solchen Situationen nervös, weil sie wissen, dass die Messlatte für das nächste Jahr damit unangenehm bis unerreichbar hoch gelegt wird. Von einem CEO, der ins Unternehmen geholt worden ist, um die Welt zu retten, wird nach glorioser Bewältigung dieser Aufgabe erwartet, dass er auch für den Rest seiner Amtszeit auf dem Wasser wandelt. Enttäuschungen sind damit vorprogrammiert. Er tut also gut daran, schon bei den Erfolgsmeldungen energisch zu kommunizieren, dass es jetzt erst einmal bodennäher weitergeht.

    Neid und Missgunst inklusive: Persönlichkeit im Rampenlicht

    Im Zentrum einer personalisierten Kommunikation steht – wen würde das wundern? – die Persönlichkeit. Ob dies allerdings die authentische Persönlichkeit des CEO ist, eine strategisch modifizierte Variante derselben oder sogar ein ganzes Bündel situativ angepasster Rollen, wird heiß diskutiert. „Ich bin kein Industrieschauspieler“, hat Hartmut Mehdorn einmal gegenüber der „Bild am Sonntag“ erklärt und hatte dabei, mit Verlaub gesagt, unrecht. Wer die Bühne als Aushängeschild des Unternehmens betritt, ist immer Schauspieler, selbst wenn er dabei eine übersteigerte Version seiner selbst verkörpert. Mehdorn steht bei seinem Rollenspiel also nur in der Tradition von Mimen wie Chuck Norris, dessen künstlerisches Repertoire über ein grimmiges und ein extra grimmiges Gesicht nicht hinausgeht.

    Die von zahlreichen Unternehmenslenkern erhobene Forderung nach Authentizität erscheint auf den ersten Blick fast selbstverständlich, weil sie Schubkraft und Glaubwürdigkeit der Persönlichkeit in die Kommunikation bringt. Den zweiten Blick übersteht sie allerdings nicht, denn die kommunikativen Herausforderungen sind viel zu komplex, als dass man sie alleine mit dem natürlichen Charme seiner Person bewältigen könnte. Spitzenämter verändern Verhalten und mit großer Sicherheit auch die Persönlichkeit dahinter. Im anderen Extrem ist aber auch die ebenso vertretene Forderung nach chamäleonhafter Flexibilität wenig realistisch. Ein CEO, der im Rampenlicht jede Rolle spielt, die der Job gerade verlangt, muss beim Erwartungsmanagement scheitern. Zudem wird es nur wenige Manager geben, denen ausreichend schauspielerisches Talent in die Wiege gelegt worden ist.

    Letztlich bleibt einer der Kernfaktoren des medialen Erfolgs also die Auswahl eines CEO, dessen Persönlichkeit zu Unternehmen und aktueller Aufgabe passt. Ein Start-up zu führen braucht andere Menschen als die Fortschreibung einer Erfolgsgeschichte oder der Turnaround in einem verknöcherten Traditionskonzern. Decken sich Persönlichkeit und Unternehmenskultur beim besten Willen nicht, ist das Scheitern von Anfang an vorprogrammiert. Verändert sich die Aufgabe zu stark, kann der Faden trotz aller kommunikativer Gegenarbeit reißen.

    Je stärker der CEO zur öffentlichen Figur wird, umso gnadenloser ist er den Kampagnen der Medien ausgesetzt. Die Boulevardpresse spielt gerne das Aufzug-Spiel, bei dem sie sowohl mit dem Aufbau als auch mit dem Sturz eines medialen Stars Auflage macht. Bekannt ist dieser Mechanismus schon aus der griechischen Tragödie, das Wechselspiel von Bewunderung und Schadenfreude scheint also zu den menschlichen Grundmechanismen zu gehören. Für CEO und Politiker reichen dabei häufig Petitessen aus, um Raum für die mediale Brechstange zu schaffen. Sachlich betrachtet sollte es beispielsweise für die Spitzen von Politik und Wirtschaft legitim sein, ihr aufgabengerecht hohes Salär für schöne Dinge auszugeben. Die nachhaltig grantigen Reaktionen von Presse und Öffentlichkeit auf Gerhard Schröders Armani-Anzüge, Helle Thornings Kostüme oder Klaus Ernsts Porsche zeigen allerdings, dass dem nicht so ist. Beim CEO ist gerne einmal die Uhr Zündfunke für eine Neid- oder Hämeattacke. Dem war sich die PR-Abteilung von Siemens wohl bewusst, als sie Klaus Kleinfeld 2004 eine Rolex vom Handgelenk retuschierte. Dumm nur, dass das komplette Foto schon in der Welt war und der Shitstorm nun erst recht losbrach. Prominentestes Opfer war vermutlich „Big T“ Middelhoff, der sich schon mit seinen Hubschrauberflügen zur Arbeit exponiert hatte. Die Pfändung seiner Piaget, vermutlich eines der preiswerteren Stücke seiner Sammlung, löste eine beispiellose Welle von Schadenfreude quer durch die Republik aus.

    Auch wenn die Machtfülle an der Spitze genau das Gegenteil möglich macht, sollte ostentativer Konsum und extravagantes Verhalten beim Aushängeschild CEO also klar unterhalb der kritischen Grenze des öffentlichen Missfallens bleiben. Wer sich als Sonnenkönig exponiert, muss damit rechnen, dass die Presse den Fahrstuhl Richtung Schafott in Bewegung setzt und der Aufsichtsrat diesem Votum bei passender Gelegenheit folgt.

    Und zum Schluss die obligatorische Management Summary

    Unternehmenslenker – insbesondere die CEOs börsennotierter Unternehmen – haben nolens volens eine wichtige politische Aufgabe. Sie sind es, die ihren Stakeholdergruppen kontinuierlich den Sinn der Unternehmensstrategie vermitteln müssen – von Marktpartnern über Eigentümer bis hin zu den eigenen Mitarbeitern. Dabei ist das Management einer realistischen Erwartungshaltung zentral. Dies gilt am stärksten in schwierigen Phasen, wenn es überlebensnotwendig ist, das Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zu erhalten oder sogar erst zu schaffen.

    Ein zweiter Punkt sticht ins Auge: CEOs müssen bei allem, was sie tun, einigermaßen sozialverträglich in Bezug auf die Maßstäbe ihrer Stakeholder erscheinen. Wer hier mit seinen Eskapaden zu häufig aus dem Ruder läuft, muss bei allen wirtschaftlichen Erfolgen häufig dennoch mit dem Abschuss rechnen. Management ist auch immer eine Frage der aktuellen Mode, und heute gilt: Keine Leisetreterei, aber Staatsschauspieler werden derzeit – ganz sicher – kaum nachgefragt.

    Eigentlich sind das doch recht beruhigende Erkenntnisse, denn man kann all dies strategisch planen und managen – man sollte dies sogar tun.

    Ein dritter Punkt kam vielleicht zu kurz: das Networking und der Aufbau einer eigenen Position des CEO in der Branche beziehungsweise in der für ihn relevanten Community. Hiermit wollen wir uns im Sinne einer kleinen Serie in einem der nächsten Dossiers auseinandersetzen.

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