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Cannes-Profi Christof Biggeleben: „Man muss Kreativität wachküssen“
Christof Biggeleben hat beim Berliner PR-Stammtisch erklärt, warum das Werber-Mekka auch für PR-Leute relevant ist. Fünf Fragen, fünf Antworten – im Interview mit Svenja Ziegert.
Svenja Ziegert: Wie wichtig ist Kreativität als Skill in der Kommunikation?
Christof Biggeleben: Für mich ist Kreativität eine der wichtigsten Fähigkeiten überhaupt, weil sie den Unterschied ausmacht zwischen guter und sehr guter Kommunikation. Sehr gute Kommunikation schlägt gute Kommunikation in der Regel in jedem Pitch, und von daher macht die kreative Idee fast immer den Unterschied. Kreativität ist für Agenturen deshalb extrem wichtig. Genau das hat McKinsey zuletzt überzeugend nachgewiesen: Agenturen, die bei den Cannes Lions gewinnen sind auch wirtschaftlich erfolgreicher als solche, die nicht so stark in Kreativität investieren.
Ziegert: Die „Cannes Lions“ sind ja ursprünglich ein Festival für die Werbeindustrie. Hat sich das geändert?
Biggeleben: Ja, ein Werbefestival ist es schon lange nicht mehr. Cannes ist für mich ein Schmelztiegel aller Disziplinen. Die Grenzen zwischen diesen verschwimmen immer mehr – und das ist auch gut so. Und im Augenblick werden gerade Technik und Big Data mit eingeschmolzen. Genau da werden wir in der Zukunft die „nuggets“ finden. Von daher ist es sehr spannend zu sehen, wie etwa Google oder Facebook begonnen haben, ihre kreativen Claims in Cannes abzustecken.
Ziegert: Wenn Cannes zeigt, wie Disziplinen zusammenwachsen: Was bedeutet das für uns PR-Leute?
Biggeleben: Hier in Deutschland reden alle von „Content“ und wie wichtig dieser für die PR ist. In Cannes redet seit zwei Jahren niemand mehr über Content. Ich finde, die Kollegen hierzulande müssten aufstehen und sagen: Stopp, viele von diesen sogenannten Inhalten haben doch überhaupt keine Relevanz für die Zielgruppen. Mir geht es deshalb vielmehr um „Context“, nicht um Content. Die richtige Botschaft für die richtige Zielgruppe zur richtigen Zeit im richtigen Kanal. Das ist Context. Das ist Relevanz. Ein herausragendes Beispiel dafür ist die Kampagne „Louise Delage“ von der französischen Agentur BETC für die NGO Addict’Aide. Das ist mein Cannes-Favorit in diesem Jahr.
Ziegert: Angenommen, jemand sieht sich selbst nicht als sehr kreativ – wie kann man sich das „aneignen?“ Geht das überhaupt?
Biggeleben: Jeder ist kreativ! Man muss Kreativität aber fördern oder besser: erstmal wachküssen. Da hilft es oft schon, einen Routineprozess einfach mal anders zu gestalten oder eine Pitchaufgabe auf den Kopf zu stellen. Sofort wird ein Weg frei. Und alle stürmen los. Sehr gute Ideen entstehen oft an Kreuzungspunkten, da wo man sich reiben kann, wo Disziplinen und Kompetenzen zusammenkommen: „Where great minds collide“ heißt es in einem wunderbaren Spot der University of Melbourne. Genau das ist es: Lasst die Kreativen, Strategen und Berater aufeinander knallen. In diesem Funkenflug wird Neues entstehen.
Ziegert: Nach welchen Eigenschaften suchst du bei neuen PR-Talenten?
Biggeleben: Sie sollten sich für alle Bereiche der Kommunikation interessieren und nicht nur in klassischer PR bzw. Pressearbeit denken. Die Zeiten sind vorbei. Die kreativsten PRler sind übrigens meist nicht Absolventen, die „Public Relations“ studiert haben, sondern Geisteswissenschaftler, die gelernt haben, Themen zu analysieren, zu verstehen und sie dann auch auf den Punkt zu formulieren. Diese Ein-Fächer-Bachelor-Studiengänge sind eine Katastrophe für Kreativität, weil sie genau die Kreuzungspunkte abgestellt haben, wo die zitierte „Reibung“ entsteht. Geisteswissenschaftler studieren oft zwei Fächer, da ist Reibung natürlich. Deswegen ist auch für die Bachelor-PR-Studierende wichtig, noch ein zweites Fach draufzusatteln. Am besten natürlich in einem Master-Studiengang.
Christof Biggeleben ist Chief Creative Officer bei der Agentur ressourcenmangel in Berlin. Vorherige Stationen waren Scholz & Friends Agenda und Ketchum Pleon. Erste praktische Erfahrungen in der PR machte er während seines Geschichts- und VWL-Studiums. Nach der Doktorarbeit hat sich Christof dann bewusst für eine Karriere in der PR entschieden und eine in der Wissenschaft nicht weiterverfolgt. Den Erstkontakt zu Scholz & Friends stellte dann ein Freundin her. Beim konkreten Einstieg half also das persönliche Netzwerk, das während des Studiums entstanden war.